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Entscheidungshilfen zur Wahl der 2. Fremdsprache

(von Ulrike Kremer, Kiel)

Was sagen die Französischlehrer bzw. Lateinlehrer am Kepler-Gymnasium

Französisch Latein
mögliche Probleme:

französisch wird geschrieben: Schreibweise – abweichend von Sprechweise (wie bei Englisch),

mögliche Probleme:

Latein wird (fast) nie geschrieben = keine Möglichkeit der Speicherung über die Schreibmotorik

Schwierigkeiten treten auf bei:

  • Accents – bes. auf e: ê é è ???
  • Auslassungszeichen und Bindestrichen, z. B.: qu’ est-ce que c’est  
  • Reihenfolgen in der Wortanordnung bes. bei Pronomen und Verneinung z. B.: Je ne la lui donne pas.
Latein wird nicht gesprochen = Lernen durch Gespräche entfällt  

minimale Unterschiede im Schriftbild – bes. Reihenfolgen der Vokale, viele Ähnlichkeiten (Verwechslung)  

Satzstrukturen können nicht erschlossen werden = (bes. bei Klassenarbeit) fehlerhafte Übersetzung

grammatische Endungen bei: Konjugation der Verben,

Veränderung bei Nomen / Adjektiv –weiblich / männlich / Plural

grammatische Endungen bei:

Konjugationen / Deklinationen

(sehr viele Unregelmäßigkeiten)

 

nötige Voraussetzungen:

Fleiß wie bei Englisch, viele Vokabeln können aus dem Sinnzusammenhang erfasst werden

(Arbeitstechnik wie bei Englisch)

 

nötige Voraussetzungen:

sehr viel Fleiß (tägliches Üben),

extrem gute Speicherfähigkeit im Langzeitgedächtnis (nicht eine Vokabel darf vergessen werden)

gute auditive Wahrnehmung genaue visuelle Wahrnehmung
durchschnittliche grammatische Auffassungsgabe,

(Satzstrukturen folgen überwiegend schematischen Gesetzmäßigkeiten) –

Übersetzen von Deutsch zu Frz. hilft bei grammatischen Problemen

 

schnelle und sichere grammatische Auffassungsgabe

(Satzstrukturen werden zunehmend komplizierter), deshalb wichtig: abstrakt – logisches Denkvermögen

(gut in Mathe = gut in Latein)

 

zusätzliche Überlegungen:

lebende Sprache – Bewertung mündlicher Leistungen möglich

zusätzliche Überlegungen:

keine lebende Sprache, aber: interessante, historische Inhalte

Auslandsaufenthalt oder Schüleraustausch können motivieren (nur) für wenige Studien erforderlich
Latein in Klasse 9 als 3. Sprache (AG) –

Zensur beeinflusst Versetzung nicht

ungünstig bei eventuell anstehendem Wechsel zur Realschule

Französisch oder Latein?

Bei meiner Arbeit mit Legasthenikern im Fremdsprachenunterricht wird von den Eltern der Sechstklässler im Gymnasium immer wieder die Frage zur Wahl der 2. Sprache an mich gestellt.

Früher wurde Legasthenikern generell zu Latein geraten.

Im Laufe meiner langjährigen Erfahrung bin ich sehr viel vorsichtiger mit dieser Empfehlung geworden, da ich gesehen habe, wie zunehmend problematisch das Fach Latein werden kann und wie Kinder – sogar mit akustischen Wahrnehmungsdefiziten – mit Französisch umgehen können. Beide Fächer haben gleichermaßen Vor- und Nachteile (s. Tabelle).

Eine Entscheidung erfordert sehr viele unterschiedliche Überlegungen und muss ganz individuell getroffen werden. Es gibt keine allgemein geltenden Richtlinien. Begabungen und Interessengebiete. Lernverhalten und Einsatzbereitschaft, bisherige schulische Situation eines Kindes, seine Persönlichkeit und sein eigener Wunsch sind zu betrachten.

Auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen in der jeweiligen Sprache müssen bedacht werden. Wer mit Englisch befriedigend zurechtkommt, dem wird es in Französisch ähnlich gehen. In Latein gibt es eine für die Schüler neue Unterrichtsmethode: es wird ins Deutsche übersetzt und großer Wert auf das Erkennen und Umwandeln von Formen gelegt.

Gerade im Alter zwischen 13 und 16 Jahren haben viele Kinder nicht die nötige Disziplin in ihrem schulischen Engagement, sodass besonders in Latein gravierende Defizite entstehen können, die kaum wieder aufzuholen sind. Nur dauerhaft freiwillig extrem fleißige Schüler, die ohne ständige elterliche Ermahnung lernen und ganz sicher im Umgang mit der Grammatik sind, schaffen das Fach problemlos.

Bei mangelndem Einsatz für die Schule in den zurückliegenden Jahren oder Unsicherheiten in der Entscheidungsfindung rate ich häufig zu Französisch, weil auch weniger motivierte Schüler die Anforderungen hier zu-friedenstellend bewältigen und bei denkbarem Wechsel zur Realschule diese Sprache weiterführen können. Manche Kinder haben später in Klasse 9 eine bessere Einstellung zum Lernen, sind reifer geworden und können (falls sie die Belastung einer 3. Sprache auf sich nehmen wollen) dann Latein zusätzlich wählen und zwei Jahre lang “testen”, welche zweite Fremdsprache sie in der Oberstufe fortführen möchten.

Wichtig sollte immer sein, dass ein Jugendlicher zufrieden und ausgeglichen ist. dass er viel Freude neben der Schule hat und seine Freizeit nicht nur durch Lernen bestimmt wird.

U. Kremer, Kiel